Publications
Ex Tempore
pen club
Photos
Links
Guestbook
English Spanish Franch German
Beati pacifici: quoniam filii Dei vocabuntur
Secundum Matthaeum 5, 9
 
Home / Books / Lectures & speeches / Interviews / Law& History / Articles-monographies-chapt. in books - Buchanan


 

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung

17. November 2004


KONSERVATIVE HOLZWEGE

Pat Buchanans Streitschrift gegen die Jakobiner um Bush

Amerikanische Präsidentenwahlkämpfe gebären Elaborate in solider Buchform - seien es blumige Hagiographien echter oder vermeintlicher Freunde und Anhänger der Kandidaten oder die Enthüllungen geschworener Feinde über Charakterfehler und politische Versäumnisse der zur Wahl Stehenden. Unter den Kritikern taucht gelegentlich auch eine seriösere Stimme auf. Hier sei von der Streitschrift eines Mannes die Rede, der sich eigentlich dem gleichen Stall zurechnet wie der Wahlsieger, auf den sich sein Zorn richtet.

Die Wahl ist gelaufen und gewonnen. Aber das Buch von Patrick Buchanan stellt Fragen, die noch nicht beantwortet sind (Where the Right went wrong. How Neoconservatives subverted the Reagan Revolution and hijacked the Bush Presidency. St. Martin's Press, New York 2004). Buchanans Biographie wird man bunt nennen können. Manchen Lesern wird er noch als streng konservativer Anwärter auf die Nominierung als republikanischer Präsidentschaftskandidat der Jahre 1992 und 1996 in Erinnerung sein. Vier Jahre später wurde er zum Kandidaten der sogenannten Reformpartei des texanischen Multimillionärs Ross Perot. Und heute profiliert sich dieser Mann, dem es offenbar Vergnügen bereitet, sich seine Feinde in allen politischen Lagern zu suchen, als Journalist - er gibt das Magazin "The American Conservative" heraus - und als Fernsehkommentator.

Schon der Titel des Buches ist herausfordernd: "Wo die Rechte falsch lag", das will soviel heißen wie: Wo die Rechte auf den Holzweg kam. Der Untertitel macht es deutlicher: "Wie die Neokonservativen die Reagan-Revolution unterminierten und die Präsidentschaft von Bush an sich rissen". In zehn Kapiteln rechnet der Autor mit der Politik von George W. Bush ab. Für den gestandenen Republikaner Buchanan ist dieser Präsident wahrlich kein Gesinnungsgenosse, denn dessen politisches Verhalten verletze, so jedenfalls sieht es Buchanan, viele Grundsätze und Traditionen der "Grand Old Party" sowohl in der Innen- wie vor allem in der Außenpolitik

Kernthese des Buches ist, daß die große Mehrheit der amerikanischen Bürger, die im November 2000 für Bush gestimmt hatten, von der neuen Regierung die Rückkehr zu einem maßvollen, zurückhaltenden politischen Auftreten auf der weltpolitischen Bühne erwarteten, einem Auftreten, das sich wohltuend vom herablassenden und arroganten imperialen Stil Bill Clintons und seiner Außenministerin Madeleine Albright abheben würde. Aber, so der Autor, es gelang einer radikalen Randgruppe innerhalb der Republikanischen Partei, den Neokonservativen, sich Bush anzudienen und ihre extremeren außen- und sicherheitspolitischen Strategien dem völlig unerfahrenen Präsidenten zu verkaufen.

Die "Neocons" blieben und bleiben dem Mann auf der Straße kaum bekannt, zumal keiner von ihnen in sein Amt gewählt wurde. Dazu zählen der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein Stellvertreter Paul Wolfowitz, dessen Assistent Douglas Feith, der inzwischen ausgebootete Richard Pearle und Elliott Abrams, der Bush in Angelegenheiten des Nahen Ostens berät. Mit beißendem Sarkasmus macht Buchanan deutlich, daß die intellektuellen Paten der neuen Strategen keineswegs in den Traditionen des amerikanischen Republikanismus verwurzelt waren, vielmehr ursprünglich dem Milieu kommunistischer Intellektuellenzirkel der dreißiger und vierziger Jahre entstammten, um sich dann Jahrzehnte später - konvertiert zu extremem Konservativismus - als außenpolitische Jakobiner zu entpuppen.

Dem Autor ist es unverständlich, daß heute noch der Einfluß dieser Gruppierung ungebrochen ist, obwohl doch außer Zweifel steht, daß die Neokonservativen die Lage im Nahen Osten und im Irak nicht nur falsch beurteilten, sondern daß sie, was vor allem das von ihnen gezeichnete Schreckbild irakischer Nuklearprogramme und Massenvernichtungswaffen angeht, heute als unzuverlässig erscheinen müssen. Das Resultat neokonservativer Strategie war ein Krieg, der unermeßliches menschliches Leid und Chaos im Irak verursacht habe, ein Sieg, den man nicht als Befreiung durch amerikanische Soldaten, sondern als feindliche Besetzung wahrnehme, und näher eine Besatzung, welche das Foltern echter und vermeintlicher Gegner zuließ und schließlich mehr als tausend amerikanischen Soldaten das Leben gekostet habe. Buchanan spricht angesichts der Ergebnisse der neokonservativen Strategie von Hybris und Zynismus.

Ein Schüler Oswald Spenglers

Aber er will nicht nur den Nachweis führen, daß die Regierung Bush die Wahlversprechen des Herbstes 2000 nicht eingehalten habe, sondern auch, daß, wegen der massiven politischen Fehlurteile der Neocons, die Welt nun in der Tat unsicherer geworden sei. Zudem ist das Haushaltsdefizit während der vergangenen vier Jahre ebenso wie das Handelsdefitit angestiegen. Früher einmal galten die Demokraten als die Partei wachsender Staatsausgaben, sie wollten die Verwaltung in Washington vergrößern - und sie waren es, die die Vereinigten Staaten in die meisten Kriege führten. Sollte, so fragt Buchanan, ein republikanischer Präsident nicht bemüht sein, die Regierung möglichst klein zu halten, damit der Bürger entlastet wird und nicht eine Nomenklatura gedeihen kann?

Schon früher hatte sich Buchanan in zwei Büchern mit der Identitätskrise des Westens und mit den Grundsätzen der Republikanischen Partei auseinandergesetzt - in "The Death of the West" (Der Tod des Westens, 2002) und "A Republic, not an Empire" (Eine Republik, kein Reich, 2000) stellte er die Frage, wie lange ein amerikanisches Imperium überhaupt dauern könne.

Ohne daß er direkt aus dem "Untergang des Abendlandes" zitiert hätte, klingen manche Sätze von Buchanans doch, als habe er sie dem Werk Spenglers entnommen. Er verweist auf den Untergang des Römischen Reiches, des Kalifats, des britischen wie des sowjetischen Imperiums. Ohne sich zum Isolationismus zu bekennen - fürwahr eine republikanische Tradition -, bleibt er skeptisch gegenüber der Möglichkeit (und der Klugheit) einer amerikanischen Dauerpräsenz in allen Erdteilen. Immerhin stehen Truppen der Vereinigten Staaten in mehr als hundert Staaten - zu Lasten des amerikanischen Steuerzahlers.

Ein Krieg ohne Sieg

Bemerkenswert ist die Analyse des Terrorismus, die Buchanan liefert. Er erscheint ihm nicht als die Krankheit, sondern als ein Symptom. Sein Buch stellt die schlichte Frage: "Warum werden wir Amerikaner überall so sehr gehaßt?" Die Antwort des Präsidenten kennt man, sie lautet: "Weil wir gut sind, weil die Terroristen unsere Demokratie und unsere Werte hassen." Ein Kinderglaube, meint Buchanan. Natürlich gibt es über den terroristischen Charakter der Attentate vom 11. September keinen Zweifel. Doch, so fragt Buchanan, hatten die Terroristen nicht auch Gründe für ihre Untat? Aus ihrer Sicht stehen sie im Krieg mit dem "Reich des Bösen" schlechthin. Menschen, die mit einem solchen Wahnglauben behaftet sind, könne der von Bush proklamierte "War on Terror" nicht besiegen.

Der tiefe Haß gegen die Vereinigten Staaten beruht Buchanan zufolge auf fünf Ursachen: Amerika rede von Demokratie, unterstütze aber Diktatoren und Oligarchien, die muslimische Völker unterdrückten und ihr Vermögen verschwendeten. Zum zweiten werde die amerikanische wirtschaftliche und militärische Präsenz in arabischen Ländern als Fremdherrschaft empfunden. Zum dritten gelte die materialistische und hedonistische Kultur Amerikas als unvereinbar mit den religiösen Vorstellungen der Muslime. Viertens: Amerika praktiziere Doppelmoral, wenn es den Irak unter Berufung auf Resolutionen der Vereinten Nationen angreife und besetze, gleichzeitig aber Israel, das sich ebenfalls nicht durch eine volle Umsetzung von UN-Resolutionen hervorgetan habe, finanziell und politisch stütze. Und schließlich: Amerika greife muslimische Länder an, die keinen Krieg mit Amerika wollten, nur um sie ihres Öls zu berauben.

Als "unamerikanisch" aber will Buchanan nicht gelten. Im Gegenteil: Um künftige Terrorangriffe abwenden zu können, fordert der Autor von seiner Regierung, sich über das Amerika-Bild anderer Völker und Länder ernsthaft Gedanken zu machen. Seien die Vorwürfe gegen die Vereinigten Staaten denn nicht wenigstens teilweise berechtigt? Habe man nicht tatsächlich die arabische Muslime provoziert, indem man zahllosen von ihnen das Recht auf Selbstbestimmung ständig vorenthalte und sie zugleich ihrer Reichtümer beraube? Für Buchanan ist klar, daß es die skizzierte Nahost-Politik der Vereinigten Staaten selbst ist, die katastrophische Folgen haben könnte.

Das Kapitel "Unwinable war" (Ein Krieg, der nicht gewonnen werden kann - gemeint ist der Krieg gegen den Terrorismus) beginnt mit einem Zitat von Peter Ustinov: "Terrorismus ist der Krieg der Armen, Krieg ist der Terrorismus der Reichen." Buchanan erklärt in einem für den amerikanischen Leser zugeschnittenen historischen Exkurs die verschiedenen Erscheinungen von revolutionärem und staatlichem Terror. Die Kriegführung der Generäle Grant, Sherman und Sheridan im amerikanischen Bürgerkrieg bezeichnet er als Terror - für viele Amerikaner sicher eine provozierende These. In diese Kategorie gehört die Bombardierung Dresdens und natürlich Hiroshima und Nagasaki. Er weist darauf hin, daß während der Kolonialkriege terroristische Methoden von allen Seiten angewandt wurden - und daß erfolgreiche Freiheitskämpfer oder Terroristen sich in angesehene Staatsmänner verwandelten.

Manches von dem, was Buchanan uns mitzuteilen hat, lesen wir ähnlich in dem kürzlich erschienenen Buch "Imperial Hubris. Why the West is Losing the War on Terror". Der Verfasser soll ein hoher Beamter der CIA sein, er zeichnet als "Anonymous". Derselbe Autor hatte im vergangenen Jahr auch das bedeutende Buch "Osama bin Laden, Radical Islam and the Future of America" veröffentlicht.

Buchanans Buch ist gut belegt, und es arbeitet mit plausiblen Argumenten. Aber selbstverständlich ist es keine wissenschaftliche Abhandlung, die sich an die akademischen Historiker wendet. Das Buch zielt auf ein breiteres Lesepublikum in den Vereinigten Staaten. Sollten viele Republikaner nach ihm greifen und sich in seinen Text vertiefen, könnte das Buch dem gegenwärtigen Präsidenten manche Sympathie kosten. Übrigens zeichnet es sich durch einen geistvollen und eleganten Stil aus.

 

Copyright ©2004-2006 Alfred De Zayas. All contents are copyrighted and may not be used without the author's permission. This page was created by Nick Ionascu.